Lampenfieber in der Vorleseecke

„Ich geb‘ zu, ich hab‘ ein bisschen Lampenfieber!“, flüsterte Catharina Clas ihrem Freund zu, unmittelbar bevor sie sich in der Vorleseecke niederließ. Wie würde sie bei den vielen Bekannten aus der Stadt ankommen, die sie bisher nur als Catharina kannten, nicht aber als die Autorin eines erfolgreichen Jugendromans?

Sie musste nicht besorgt sein. Mucksmäuschen still waren die knapp vierzig jungen bis mittelalterlichen Besucher, die zur Autorenlesung in die „Krone“ gekommen waren, hingen gebannt an den Lippen der jungen Frau, als sie von den ersten Liebeerfahrungen ihrer Romanheldin Klara und ihrem angeschwärmten Schatz Jan vorlas.

Als sie nach einer knappen Stunde ihren Roman „Wir zwei für immer“ aus der Hand legte, konnte man das respektvolle Erstaunen der Ostheimer spüren: Mitten unter ihnen war ein erzählerisches Talent entstanden, das man künftig mit anderen Augen sehen muss. Das bestätigten auch die vielen Fragen. Und die, die fragten, hatten begriffen: Vor ihnen saß eine richtige Autorin, die die Kunst des Erzählens versteht. Das bedeutet vor allem, Fantasie und Vorstellungsvermögen zu besitzen.

In Clas‘ Roman kann man das überall und auf ganz verschiedenen Ebenen der Darstellung wiederfinden: bei der Schilderung des Ambientes der ersten Liebesnacht, bei kleinen ironischen Seitenhieben auf Mode-Torheiten, ganz besonders aber da, wo die Autorin ihren Figuren ins Herz schaut. Liebe, was ist das alles bei einem jungen, nach Liebe hungernden Mädchen! Nicht bloß Schwimmen in Glückseligkeit, sondern auch Sehnsucht, Neid, Eifersucht, Triumph, Dominanz, Angst zu kurz zu kommen, Gruppenzwang … Das alles fließt in dem Roman mit größter Selbstverständlichkeit zusammen zu einem großen Realismus, in dem sich mancher wiederfinden kann.

Der Dank der Besucher galt nicht nur Catharina Clas für dieses intime literarische Erlebnis, sondern auch dem Wirt der Gaststätte „Zur Krone“ Kai Petersen.

Denn er hatte das Ganze angestoßen, hatte das Nebenabteil geschmackvoll mit Gegenständen geschmückt, die an Norddeutschland und Seefahrt erinnern (der Roman spielt im deutschen Norden, Jan ist ein Marineschüler, der eben sein Diplom als Schiffsmaschinist bekommen hat). Durch das Zusammenwirken aller Faktoren wurde der Vorleseabend zu einer schönen Erinnerung für alle Beteiligten.

Artikel der Mainpost